Dokumentation | Landesweite Fachtagung 2024

Am 23. Oktober 2024  fand die landesweite JubaS-Fachtagung „Junge Vielfalt im Fokus – Angebote und Ansätze aus der Praxis” mit rund 150 Akteuren aus Jugendberufsagenturen, Verwaltung, und der Fachöffentlichkeit statt. Die Teilnehmenden erhielten die Gelegenheit, sich sowohl über neue als auch bewährte Ansätze von Jugendberufsagenturen in Sachsen und darüber hinaus zu informieren, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Neben den Vernetzungsmöglichkeiten auf dem Marktplatz bot die Fachtagung mittels der Wanderausstellung .achtzehn einen Einblick  zur Frage “Wie fühlt es sich an, heute erwachsen zu werden?”. In den Foren diskutierten die Teilnehmenden zu den Themen Inklusion in der Ausbildung, Schulabsentismus, Schwer erreichbare junge Menschen, Gendersensible Berufsorientierung, Digitale Ansätze, Interkulturelle Kompetenzen, Elternarbeit und Netzwerkarbeit. Die Fachtagung wurde gemeinsam mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr durchgeführt.

In Forum 1 „Inklusion in der Ausbildung“ haben wir uns dem Übergangsbereich zwischen der Schule und dem Beruf für die Zielgruppe der jungen Menschen mit Behinderung gewidmet. Nach einführenden Worten zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt für diesen Personenkreis hat Thomas Schuster (Bereichsleiter Beruf und Bildung, Evangelische Behindertenhilfe Dresden) über seine Erfahrungen mit der Ausbildung von jungen Menschen mit Behinderung am Beispiel des „Hotel am Schwanenhaus“ in Dresden gesprochen. Insbesondere die bürokratischen Hürden bei der Anerkennung als Ausbildungsbetrieb, aber auch die Kosten für Arbeitgeber wurden angesprochen. Darüber hinaus wurde über die Rolle von Werkstätten diskutiert, die für Menschen mit Behinderung als Sprungbrett für eine berufliche Entwicklung betrachtet werden sollten. Im Anschluss haben die Teilnehmenden einerseits über die Erfahrungen von Menschen mit Behinderung im Kontext von Ausbildungen diskutiert. So ging es um die Vorbehalte aufseiten der Arbeitgeber, aber auch um fehlende Unterstützung bzw. Aufklärung auf dem Weg in den Beruf. Andererseits entspann sich eine Debatte über die Möglichkeiten, die die Teilnehmenden nutzen können, um junge Menschen auf diesem Weg zu unterstützen. Mit Blick auf die Personen wurde betont, wie wichtig es sei, den Frust und die Ängste der jungen Menschen aufzufangen sowie ihnen Wertschätzung und Verständnis entgegenzubringen. Mit Fokus auf die Änderung von integrationshemmenden Strukturen haben die Teilnehmenden betont, dass man laut auf Probleme aufmerksam machen und den Kontakt in politische Gremien stärken müsse. Hierzu sollte das Sozialgesetzbuch IX stärker in die Arbeit der Jugendberufsagenturen einbezogen werden.

Weiterführende Informationen finden Sie hier:

  1. https://www.youtube.com/watch?v=fekF0bMSga8
  2. https://www.hengstfilm.de/mediathek/video/hotel-schwanenhaus-i-imagefilm/

Fotos: Marcus Hartelt

Das Forum 2 startete mit einer kurzen Mentimeter-Umfrage unter anderem mit der Aufforderung Begriffe zu nennen, die den Teilnehmenden spontan zu Schulabsentismus einfallen. Anschließend wurde der Begriff Schulabsentismus definiert und auf verschiedene Wirkräume und Ursachen eingegangen.

Es folgten drei Expertenvorträge: Prävalenz von Absentismus an weiterführenden Schulen in Sachsen-Anhalt: Auf das Kriterium kommt es an!, Dr. Melanie Baumgarten von REGIOAKTIV stellte die aktuellsten Forschungsergebnisse zum Schulabsentismus vor und diskutierte die Ursachen und Auswirkungen dieses Phänomens; Schulabsentismus im Fokus- zielgerichtete Kooperation auf kommunaler Ebene, Luciana Cristina Marinho Schollmeier vom Jugendamt Dresden präsentierte die Fachstelle und Ihre Schwerpunkte im Bezug auf Schulabsentismus. Paul Hermann Fischer, Zukunftsträger Leipzig, gab daran anschließend Einblicke in die Praxis und diskutierte gemeinsam mit den Teilnehmenden Beispiele für bestehende Interventionsformen.

Nach den Expertenvorträgen konnten zunächst Fragen an die Referent*innen gestellt werden. Daran anschließend diskutierten die Teilnehmenden über mögliche Konzepte und Strategien Schulabsentismus präventiv zu begegnen. Im Fokus dabei standen die Wirkräume Schule und Elternhaus und welche Veränderungen im jeweiligen Wirkraum nötig wären, um Schulabsentismus erfolgreich zu verhindern. Außerdem wurden über zielgruppenspezifische Projekte zur Förderung der Schulmotivation bzw. zur Rückführung an die Schule sowie die Bedeutung der Vernetzung diskutiert. Während der Diskussion konnte jederzeit auf die  wissenschaftliche und praktische Expertise der Referent*innen zurückgegriffen werden. Die Teilnehmenden diskutierten intensiv und tauschten Erfahrungen und Ideen aus. Es wurde deutlich, dass die Bekämpfung von Schulabsentismus eine komplexe Aufgabe ist, die nur durch die Zusammenarbeit von Schulen, Eltern, Jugendhilfe und weiteren relevanten Akteuren gelingen kann.

[Die Präsentationen wird in Kürze zur Verfügung gestellt. Vielen Dank für Ihr Verständnis]

Fotos: Marcus Hartelt

Das Forum „Schwer erreichbare junge Menschen“ brachte Expert*innen und Praktiker*innen aus den Jugendberufsagenturen und der sozialen Arbeit zusammen, um über die Herausforderungen und Möglichkeiten der Unterstützung dieser Zielgruppe zu diskutieren. Moderiert wurde das Forum von Jonas Poehlmann, Bildungsreferent an der Fachstelle Mobile Jugendarbeit/Streetwork in Sachsen. Die folgende Dokumentation fasst die Ergebnisse und Erkenntnisse des Forums zusammen und bietet einen Überblick über die diskutierten Themen und Lösungsansätze.

Fotos: Marcus Hartelt

Zum Einstieg in das Forum wurden die Teilnehmenden gefragt: Spielt Geschlecht bezogen auf die Arbeitswelt bei den Teilnehmenden eine Rolle? (Skala: spielt gar keine Rolle bis spielt eine sehr große Rolle)

Spannend ist herauszustellen, dass für alle Teilnehmenden im Arbeitskontext das Geschlecht anfangs keine Rolle gespielt hat. Einige Teilnehmende erwähnten, dass Geschlecht formal und aufgrund der thematischen Ausrichtung ihrer beruflichen Tätigkeit eine Rolle spielt. Bspw. als personalverantwortliche Personen, die dafür sorgen müssen, gemischt-geschlechtliche Teams aufzustellen, oder Personal, das sich mit identitätssuchenden jungen Menschen beschäftigt. Bei näherem Betrachten und Diskutieren kam heraus, dass es doch wichtig ist, den Blick auf Geschlecht zu richten, weil es in der Praxis häufig zu ungerechter Behandlung kommt. Eine Gefahr ist, dass bei einer fehlenden Aufmerksamkeit für das Thema strukturelle Diskriminierung die Folge sein kann.

Ein wichtiger Punkt, der im Forum diskutiert wurde, ist das Vorleben und Aufzeigen moderner Eigenschaftszuschreibungen der Geschlechter: Ein Mann muss beispielsweise nicht immer stark sein, er darf auch emotional und schwach sein – und ebenso bezogen auf bestehende Vorurteile gegenüber anderen Geschlechtern. Ebenso wurde erneut deutlich, dass sich die Prägung genderstereotypischer Sichtweisen bereits im frühkindlichen Alter vollzieht und daher auch bereits hier Maßnahmen zum Aufbruch oder zur Prävention stattfinden müssten – die im Rahmen von Berufsorientierungsmaßnahmen umgesetzten Bemühungen sind dennoch notwendig, brauchen aber auch Zeit. Es sei ein schmaler Grat dem Thema Geschlecht einerseits nicht zu viel Raum in der alltäglichen Diskussion oder Arbeit zu geben und andererseits genügend, um geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung und gewachsene Sozialisationsphänomene aufdecken und ihnen entgegenwirken zu können. Die Investition in die Schaffung gendersensibler Berufsbilder lohne sich aber auf dem Weg zu mehr Chancengerechtigkeit. Damit gelange man zu einem entspannten und unaufgeregten Umgang und andere, wichtigere Aspekte, mit denen man sich im Rahmen der Berufsorientierung beschäftigen sollte, wie Zukunftsperspektiven und stärkenbasiertes Lernen, können in den Vordergrund rücken.

Als ganz praktischer Hinweis zur Problematik, dass Unternehmen oder andere Institutionen beispielsweise keine Frauenumkleideräume bereitstellen können, wurde die Alternative von zeitlich gestaffelten Umkleidezeiträumen eingebracht. Der etwas stärker auf den Aspekt der Berufsorientierung fokussierte Punkt in der Diskussion bezog sich auf die Produktionsschulen. Diese sollten nach dem Vorbild in Dänemark viel stärker als ein fester Bestandteil des Regelschulsystems integriert und etabliert werden, so dass diese eine echte Alternative darstellen und nicht erst zum Greifen kommen, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“. Zudem müsse das Image der Produktionsschulen verbessert werden bzw. könnte damit verbessert werden.

Die Dokumentation der Gruppenarbeit zu den Fragen: Welche Klischees/Stereotype begegnen uns, wo kommen diese her und was sind Handlungsoptionen? ist der Fotodokumentation zu entnehmen:

Fotos: Marcus Hartelt

Das Forum 5 – digitale Ansätze - bot eine intensive und praktische Auseinandersetzung mit digitalen Ansätzen in der Berufsorientierung und digitaler Streetwork. Die Teilnehmenden  erhielten die Gelegenheit, die Berufsorientierungsapp von future.self und das Projekt kontaktnext. aufsuchende Informationsarbeit in sozialen Medien kennenzulernen und selbst zu testen. Neben kurzen Impulsen zu den digitalen Ansätzen von Lhea Reinhold vom D-BOP Preisträger future.self und Jessica Pfuhl vom Projekt kontaktnext. konnten die Teilnehmenden an zwei Stationen die innovative BO-App testen, das Projekt kontakt next näher kennenlernen und erfahren, wie soziale Medien und digitale Tools effektiv genutzt werden können, um mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Kontakt zu treten und bei der Berufsorientierung zu unterstützen.

Dabei diskutierten die Teilnehmenden gemeinsam mit den Expertinnen beispielsweise zu den Herausforderungen digitaler Ansätze in der Berufsorientierung. Zudem bezogen sie Stellung zum Mehrwert und den Hürden in der aufsuchenden digitalen Form der Ansprache junger Menschen. Des Weiteren wurden die Vor- und Nachteile von Berufsorientierungs-Apps für den jungen Menschen näher beleuchtet und eruiert wie die Apps in die analoge Berufsorientierung integriert werden können und welche Voraussetzungen oder gar Hürden diesem entgegenstehen.

Fotos: Marcus Hartelt

Im Rahmen des Forums wurden interkulturelle Aspekte der Berufsorientierung mit Beispielen aus der Praxis beleuchtet. Erste interessante Einblicke in die Arbeit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gab Ekaterina Olekh, die den kolibri e.V. vorstellte. Robert Fischer von AWO Sonnenstein gGmbH und André Werner von Arbeit und Leben e.V. berichten im Anschluss aus dem Projekt der Arbeitsmarktmentoren Sachsen und spiegeln ihre Erfahrungen zur nachhaltigen Integration in Ausbildung oder Arbeit von Zugewanderten. In einer sich anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass viele Jugendliche studieren wollen und sich oftmals der Stellung des (deutschen) dualen Ausbildungssystems nicht bewusst sind. Durch die hohe Ausbildungsqualität und die gute anschließende Berufsperspektive sollte in der Berufsorientierung verstärkt Informations- und Sensibilisierungsarbeit geleistet werden, um die Akzeptanz für (duale) Berufsausbildungen zu stärken.

Im zweiten Teil des Forums wurden bewährte praxisnahe Ansätze und Methoden für die Berufsorientierung besprochen, angeleitet durch Ekaterina Olekh. Hierbei ging es vor allem um spezifische kulturelle Unterschiede, die in der Berufsorientierung berücksichtigt werden müssen. So ist bspw. das Rollenverständnis der Geschlechter mit Blick auf die Ausübung von bestimmten beruflichen Tätigkeiten häufig von Bedeutung, aber auch kulturelle Besonderheiten wie bspw. das Freitagsgebet müssen berücksichtigt und individuelle Lösungen mit Arbeitgebenden gefunden werden. Weitere relevante Themen sind der Umgang mit unterschiedlichen Sprachständen und der (kontinuierliche) Aufbau von Kontakten zu Arbeitgebenden.

 

Fotos: Marcus Hartelt

Das Forum Elternarbeit brachte Experten und Interessierte zusammen, um die wichtige Rolle von Eltern bei der Berufsorientierung ihrer Kinder zu diskutieren. Zu Beginn wurde das bayerische Projekt #parentsonboard vorgestellt, das sich auf die Einbindung von Eltern in die Berufsorientierung ihrer Kinder konzentriert und ein Modell dazu entwickelt hat. Im Rahmen des Forums wurden außerdem zentrale Fragen diskutiert, um die Ansprache von Eltern und die Gestaltung von Elternarbeit zu verbessern.

Projekt #parentsonboard: Das Projekt #parentsonboard aus Bayern bot einen umfassenden Einblick in die Möglichkeiten und Herausforderungen der Elternarbeit. Durch die Präsentation des Projekts konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren, wie Eltern erfolgreich in die Berufsorientierung ihrer Kinder eingebunden werden können. Die Präsentation beleuchtete die Ziele, Methoden und Erfahrungen des Projekts und gab Anregungen für die eigene Arbeit.

Ansprache von Eltern und Gestaltung von Elternarbeit: Im zweiten Teil des Forums diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Ansprache von Eltern, Eltern als Zielgruppe sowie Potenziale in der Elternarbeit. Im Fokus standen drei zentrale Fragen, die mit Hilfe der Kopfstandmethode bearbeitet wurden:

Was ist zu tun, damit Eltern sich für die Berufsorientierung ihrer Kinder interessieren? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verständigten, dass eine verbesserte Kommunikation, transparente Informationen und eine stärkere Einbindung von Eltern in die Schule und die Berufsorientierung notwendig sind, um das Interesse von Eltern zu wecken. Konkret wurden Bonussysteme für engagierte Eltern, die Bereitstellung von Zeitplänen und konkreten Ansprechpersonen sowie die Einbindung von (Gebärden)Dolmetschern genannt.

Wie muss Elternarbeit gestaltet sein, um möglichst viele Eltern zu erreichen? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass eine bedürfnisorientierte Gestaltung von Elternarbeit, flexible Angebote und eine transparente Kommunikation notwendig sind, um Eltern erfolgreich zu erreichen. Hervorgehoben wurden wiederkehrende Kontaktaufnahmen, situative und individuelle Ansprachen und die passende Tageszeit, ggf. auch vormittags.

Wie sollte man Eltern ansprechen, damit sie sich an BO-Veranstaltungen o. Ä. beteiligen? Die Teilnehmenden diskutieren den Einsatz von Elternbriefen, um diese über den Nutzen aufzuklären, die Etablierung von Elternstammtischen und dem Schaffen von angenehmen Veranstaltungsorten, eine angemessenen Ansprache auf Augenhöhe ohne zu Belehren oder Vorwürfe zu formulieren und die Hervorhebung relevanter Themen, wie MINT-Berufe bzw. neue Berufe.

Fazit: Das Forum Elternarbeit bot eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Ideen zur Elternarbeit. Durch die Präsentation des Projekts #parentsonboard und die Diskussion zentraler Fragen konnten Impulse für die eigene Arbeit gegeben werden. Die Diskussion zeigte, dass eine verbesserte und transparente Kommunikation, eine stärkere Einbindung von Eltern in die Schule und eine bedürfnisorientierte Gestaltung von Elternarbeit dabei helfen  Eltern für die Berufsorientierung ihrer Kinder zu sensibilisieren und zu erreichen und ihre Rolle bei der Berufsorientierung ihrer Kinder zu stärken.

 

Fotos: Marcus Hartelt

Jugendberufsagenturen sind Interessenverbünde unterschiedlicher Institutionen. Jede beteiligte Institution eines Bündnisses hat eigene inhaltliche Schwerpunkte, formale Abläufe, Handlungsmöglichkeiten und Handlungsgrenzen. Vor dem Hintergrund gemeinsamer Handlungsziele besteht die Herausforderung der Verbünde in der effektiv organisierten Koordination und Kooperation dieser verschiedenen Institutionen. Motivation des Workshops war es, einen Reflexionsprozess über das eigene Wirken im Netzwerk anzustoßen, um auf Basis des persönlichen Kennenlernens und der Möglichkeit zum Austausch gemeinsame und bündnisübergreifende Probleme zu identifizieren. Dieser Prozess sollte die Möglichkeit zur Entwicklung gemeinsamer Lösungsansätze im Interesse der Zielgruppe junger Menschen bieten. Die Netzwerkarbeit wurde anhand dieser vier Themenbereiche beleuchtet:

  • Voraussetzungen und Merkmale effektiver Kooperation
  • Netzwerkpartner
  • Netzwerkorganisation
  • Netzwerkentwicklung und Netzwerkpflege

Als Voraussetzungen effektiver Netzwerkarbeit wurden auf struktureller Ebene direkte Kommunikationskanäle, regelmäßige Abstimmungen der Arbeitsebene, die Kenntnis der vielfältigen Angebote von Projekten, niedrigschwellige Erreichbarkeit, zielgruppenspezifische Sprache genannt; als sehr wichtig wurde auch die finanzielle Kontinuität und langfristige Planung der Projekte erachtet, um das gewonnene und schwer erarbeitete Vertrauen bei der Zielgruppe nicht zu zerstören, um es im günstigsten Fall wieder aufzubauen, sondern um es primär zu erhalten. Neben diesen strukturellen Eigenschaften wurde insbesondere auch die persönliche Motivation und Eigeninitiative der Expertinnen und Experten herausgehoben. In der Thematisierung der Netzwerkpartner stellte der Entwurf einer Netzwerkkarte heraus, dass die Liste an Partner vielfältiger ist und weit mehr Partner umfassen muss, als in den Bündnissen direkt beteiligt sind. Auch hier stellte sich das Problem entsprechender verfügbarer Kommunikationskanäle. Für die Organisation ist aufgrund geringer personeller und zeitlicher Ressourcen eine Netzwerkkoordination unabdingbar, soll die Arbeit im Bündnis wirkungsvoll und effizient organisiert sein. Bei der Weiterentwicklung von Netzwerken und deren Pflege spielen formale und informale Aspekte eine wichtige Rolle. Wesentlich auf formaler Ebene ist eine konkrete und auf alle Dimensionen der Zusammenarbeit sich erstreckende Kooperationsvereinbarung. Informell steht das persönliche Kennenlernen, die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch, die wechselseitige Kenntnis der Arbeitsabläufe und Arbeitsweise im Vordergrund. Als adäquate Antwort auf die gemeinsamen und bündnisübergreifenden Herausforderungen: einfache, niedrigschwellige Erreichbarkeit, Informations- und Kontaktregister (Angebote, Partner, direkte Ansprechpartner usw.), zielgerichtete Zuleitung, Aktualität, Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten wurde der Einsatz moderner digitaler Instrumente besprochen, insbesondere die Idee der Entwicklung einer zentralen und Web-Applikation sowohl für Experten und Expertinnen als auch für Klientinnen und Klienten. Während die Applikation junge Menschen anhand von Fragen und Spracheingaben – soweit wie möglich automatisiert – durch den „Dschungel der Institutionen“ führt und zielgerichtet zuleitet, soll die Applikation den Expertinnen und Experten zur (stichwortbasierten) Information und Vernetzung dienen: Projekte, Partner, Zuständigkeiten und vor allem – unter freiwilliger Angabe – direkter Kommunikationswege.  

 

Fotos: Marcus Hartelt

Im Rahmen des Marktplatzes hatten die Teilnehmenden der Fachtagung die Gelegenheit, sich sowohl über neue
als auch bewährte Ansätze und Projekte in Sachsen und darüber hinaus zu informieren. 

Übersicht der Ausstellenden

Fotos: Marcus Hartelt

Wanderausstellung von John Kolya Reichart & dem Museum für Werte (MfW)

Wie fühlt es sich an, heute erwachsen zu werden? Mit welchen persönlichen und gesellschaftlichen
Herausforderungen sind 18-Jährige konfrontiert? Was macht ihnen Hoffnung? Was ist ihre Vision
einer besseren Welt? John Kolya Reichart, Fotograf und Regisseur, begab sich 2023 auf eine Reise
durch die Bundesrepublik, um 18-Jährige zu treffen und herauszufinden, was sie bewegt. Gemeinsam
besuchten sie einen Ort der Vergangenheit gepaart mit der Frage: Was möchtest du hinter Dir lassen?
und einen Ort der Zukunft mit der Frage: Wo zieht es Dich hin?

Die audiovisuelle Ausstellung .achtzehn lässt Besucher*innen anhand von Portraitfotografien, Stimmen
und Bewegtbild in die Gedankenwelt einer Generation eintauchen, die gerade erwachsen wird. Einmal
quer durch Deutschland – von den Bergen bis ans Meer, in Großstädte und Dörfer, auf Spielplätze,
Autobahn-Blockaden, Theaterbühnen und Militärkaserne. An diesen emotional aufgeladenen Orten
gewähren die Protagonist*innen Einblicke in ihre persönlichen Lebensrealitäten und gesellschaftlichen
Perspektiven und öffnen Räume, die zur eigenen Reflexion über die Fragen unserer Zeit einladen. 

Fotos: Marcus Hartelt

 

 

Dr. Ute Leber im Interview

Matching auf dem Ausbildungsmarkt
Interview mit Dr. Ute Leber, IAB

Dr. Ute Leber hat Volkswirtschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg studiert und wurde dort auch
promoviert. Sie ist seit 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Seit 2016 hat sie zusätzlich die
Co-Leitung des Forschungsbereichs „Bildung, Qualifizierung und Erwerbsverläufe“ inne.

Landesservicestelle JubaS: Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt beschreiben?

Dr. Ute Leber: Trotz einer hohen Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen finden viele Jugendliche
keinen Ausbildungsplatz. Die Besetzungsprobleme variieren je nach Größe des Betriebs und Region.
Insbesondere kleine Betriebe und Betriebe in Ostdeutschland haben Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze
zu besetzen. Zugleich zeigen sich branchenspezifische Herausforderungen: Während in Branchen
wie der Immobilienwirtschaft deutlich mehr Bewerber*innen existieren als Ausbildungsstellen, ist es in
Branchen wie der Lebensmittelherstellung oder -verkauf umgekehrt.

Landesservicestelle JubaS: Wie blicken die Betriebe auf diese Herausforderungen?

Dr. Ute Leber: Aus betrieblicher Sicht sind vor allem wenig attraktive Arbeitsbedingungen sowie ein
möglicherweise negatives Image des Ausbildungsberufs die wichtigsten Gründe für die Besetzungsprobleme.
In Ostdeutschland stellen zudem die schlechte Erreichbarkeit des Betriebs bzw. der Berufsschule
in Relation zu Westdeutschland ein Problem dar.

Landesservicestelle JubaS: Was tun Betriebe, um Ihre Ausbildungsplätze mit passenden jungen Menschen zu besetzen?

Dr. Ute Leber: Betriebe agieren sehr vielfältig, um potentielle Azubis für sich zu gewinnen. Einerseits
nutzen sie Rekrutierungskanäle wie die Meldung bei der örtlichen Agentur für Arbeit oder bieten
Praktika an, damit sich junge Menschen ausprobieren können. Bei der Nutzung von sozialen Medien
setzen Betriebe und Jugendliche teils auf unterschiedliche Kanäle. Anderseits bietet mehr als die Hälfte
der Betriebe Zusatzleistungen in Form von Prämien oder Sonderzahlungen an. Auch eine finanzielle
Unterstützung der Mobilität junger Menschen spielt eine Rolle.

Landesservicestelle JubaS: Wo bestehen noch Möglichkeiten für Betriebe?

Dr. Ute Leber: Ein großes Potenzial für Betriebe sind Jugendliche, die bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz
(zunächst) erfolglos bleiben. Zwar schreiben Betriebe jungen Menschen mit Hauptschulabschluss
eine deutlich geringere Ausbildungsreife zu als denjenigen mit Realschulabschluss, aber die
Betriebe, die bereits Erfahrungen mit ihnen gemacht haben, schätzen sie sehr viel positiver ein. Mit
zunehmendem „Leidensdruck“ werden Betriebe überdies kompromissbereiter.

Landesservicestelle JubaS: Was können Jugendberufsagenturen tun, um Betriebe bei der Besetzung
von Ausbildungsplätzen zu unterstützen?

Dr. Ute Leber: Zwar gibt es eine Vielzahl an Förderinstrumenten, die Betrieben und jungen Menschen
helfen sollen, einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu erzielen, aber jene sind vielen Betrieben
nicht bekannt und, falls doch, wird mit ihnen ein erheblicher administrativer Aufwand verbunden.
Das betrifft vor allem kleinere Betriebe. Wichtig ist daher, die Beratungsmöglichkeiten für Betriebe
auszubauen und auch bei der Antragstellung zu unterstützen. Das muss an die konkreten Bedarfe der
jeweiligen Betriebe angepasst sein, da diese laut Studien über sehr unterschiedliche Informationswünsche
verfügen.

Fotos: Marcus Hartelt