Dr. Ute Leber im Interview
Matching auf dem Ausbildungsmarkt
Interview mit Dr. Ute Leber, IAB
Dr. Ute Leber hat Volkswirtschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg studiert und wurde dort auch
promoviert. Sie ist seit 1999 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Betriebe und Beschäftigung“
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Seit 2016 hat sie zusätzlich die
Co-Leitung des Forschungsbereichs „Bildung, Qualifizierung und Erwerbsverläufe“ inne.
Landesservicestelle JubaS: Wie würden Sie die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt beschreiben?
Dr. Ute Leber: Trotz einer hohen Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen finden viele Jugendliche
keinen Ausbildungsplatz. Die Besetzungsprobleme variieren je nach Größe des Betriebs und Region.
Insbesondere kleine Betriebe und Betriebe in Ostdeutschland haben Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze
zu besetzen. Zugleich zeigen sich branchenspezifische Herausforderungen: Während in Branchen
wie der Immobilienwirtschaft deutlich mehr Bewerber*innen existieren als Ausbildungsstellen, ist es in
Branchen wie der Lebensmittelherstellung oder -verkauf umgekehrt.
Landesservicestelle JubaS: Wie blicken die Betriebe auf diese Herausforderungen?
Dr. Ute Leber: Aus betrieblicher Sicht sind vor allem wenig attraktive Arbeitsbedingungen sowie ein
möglicherweise negatives Image des Ausbildungsberufs die wichtigsten Gründe für die Besetzungsprobleme.
In Ostdeutschland stellen zudem die schlechte Erreichbarkeit des Betriebs bzw. der Berufsschule
in Relation zu Westdeutschland ein Problem dar.
Landesservicestelle JubaS: Was tun Betriebe, um Ihre Ausbildungsplätze mit passenden jungen Menschen zu besetzen?
Dr. Ute Leber: Betriebe agieren sehr vielfältig, um potentielle Azubis für sich zu gewinnen. Einerseits
nutzen sie Rekrutierungskanäle wie die Meldung bei der örtlichen Agentur für Arbeit oder bieten
Praktika an, damit sich junge Menschen ausprobieren können. Bei der Nutzung von sozialen Medien
setzen Betriebe und Jugendliche teils auf unterschiedliche Kanäle. Anderseits bietet mehr als die Hälfte
der Betriebe Zusatzleistungen in Form von Prämien oder Sonderzahlungen an. Auch eine finanzielle
Unterstützung der Mobilität junger Menschen spielt eine Rolle.
Landesservicestelle JubaS: Wo bestehen noch Möglichkeiten für Betriebe?
Dr. Ute Leber: Ein großes Potenzial für Betriebe sind Jugendliche, die bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz
(zunächst) erfolglos bleiben. Zwar schreiben Betriebe jungen Menschen mit Hauptschulabschluss
eine deutlich geringere Ausbildungsreife zu als denjenigen mit Realschulabschluss, aber die
Betriebe, die bereits Erfahrungen mit ihnen gemacht haben, schätzen sie sehr viel positiver ein. Mit
zunehmendem „Leidensdruck“ werden Betriebe überdies kompromissbereiter.
Landesservicestelle JubaS: Was können Jugendberufsagenturen tun, um Betriebe bei der Besetzung
von Ausbildungsplätzen zu unterstützen?
Dr. Ute Leber: Zwar gibt es eine Vielzahl an Förderinstrumenten, die Betrieben und jungen Menschen
helfen sollen, einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu erzielen, aber jene sind vielen Betrieben
nicht bekannt und, falls doch, wird mit ihnen ein erheblicher administrativer Aufwand verbunden.
Das betrifft vor allem kleinere Betriebe. Wichtig ist daher, die Beratungsmöglichkeiten für Betriebe
auszubauen und auch bei der Antragstellung zu unterstützen. Das muss an die konkreten Bedarfe der
jeweiligen Betriebe angepasst sein, da diese laut Studien über sehr unterschiedliche Informationswünsche
verfügen.
Fotos: Marcus Hartelt